Die Pflanzenwelt im Appenzellerland

Das Appenzellerland umfasst mit gut 400 Quadratkilometern gerade mal ein Hundertstel der Fläche der ganzen Schweiz. Und doch ist die Pflanzenwelt in diesem kleinen Fleckchen Erde reichhaltig. Rudolf Widmer listet in seinem Standardwerk von 1999 «Pflanzen im Appenzellerland» gut 1200 Gefässpflanzenarten für das Gebiet der beiden Halbkantone auf (ganze Schweiz etwa 3100 Arten).

Die natürliche Fülle steuert die Vielfalt der Pflanzen

Das Gebiet hat eine beachtliche topografische, klimatische und geologische Vielfalt. Höhenmässig reicht die Spanne von 430 m ü. M. bei Lutzenberg bis zum Säntisgipfel auf 2500 m ü. M. Das Klima ist im Appenzellerland eher feucht und kühl. Die mittleren Januartemperaturen liegen durchwegs unter Null. Beim Niederschlag hält der Säntis mit gut 2800 mm den Schweizer Rekord.

Geologisch lässt sich das Appenzellerland grob in drei Einheiten unterteilen: Alpstein mit den Kalkfelsen, die aus Flysch aufgebauten Fäneren und das auf Molasse liegende Appenzeller Hügelland.

Das Appenzellerland ist bekannt für seine sattgrünen, gut gedüngten Wiesen und Weiden. Ackerland findet sich hier kaum. Während das Land generell eher nach Norden geneigt ist, finden sich auch gut besonnte Südhänge, so z.B. am Kronberg und am Gäbris. Es gibt vereinzelt auch Streuwiesen und Hochmoore, die von der intensiven Bewirtschaftung verschont geblieben sind. Etwa ein Drittel des Appenzellerlandes ist bewaldet. Die Waldgrenze liegt mit etwa 1600 m ü. M. vergleichsweise tief.

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Säntis
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Appenzeller Hügellandschaft
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Fäneren

Was prägt die Appenzeller Flora?

  • Wärme und Trockenheit liebende Arten haben im rauen Appenzeller Klima einen schweren Stand. Auch frostempfindliche Pflanzen sind kaum vertreten.
  • Pflanzen, die Silikatfels bevorzugen (kommt im Appenzellerland nirgends vor) sind selten.
  • Wasser- und Uferpflanzen sind nur spärlich vertreten (ausser an den drei Bergseen im Alpstein gibt es kaum Uferzonen im Appenzellerland).
  • Pflanzen der subalpinen (1200 m – 1800 m) und alpinen Stufe (über 1800 m) sind gut vertreten, so vor allem auch Pflanzen der Geröll- und Felsvegetation.
  • Feuchtigkeitsliebende Pflanzen, vor allem Arten der Hoch- und Flachmoore, sind wie überall in der Schweiz auch im Appenzellerland selten, bilden aber in den verbleibenden Feuchtgebieten relativ stabile Bestände.
  • In landwirtschaftlich genutzten Flächen dominieren nährstoffliebende Arten des Dauergrünlandes.
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Alpen-Mannstreu (Eryngium alpinum)
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Graues Felsenblümchen (Draba incana)
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Steinschmückel (Petrocallis pyrenaica)

Spezialitäten im Alpstein

Das Graue Felsenblümchen (Draba incana) ist eine Spezialität – eine äusserst seltene und stark gefährdete Pflanze der trockenen Kalkfelsflur. Schweizweit kommt es nur noch im Alpstein mit Sicherheit vor. Früher wuchs das Graue Felsenblümchen auch im Pilatusgebiet (LU) und in der Stockhornkette (BE).

Eine weitere Besonderheit ist das Alpen-Mannstreu (Eryngium alpinum), eine Pflanze der alpinen Grashalden oder Wildheuplanken auf frischen Böden. Wegen ihren stacheligen amethystfarbenen, bläulichen Hüllblättern ist sie auch als «Blaue Distel» bekannt. Im Jura und im Alpenbogen nicht sehr selten, ist es im Alpstein nur noch an einem einzigen Standort mit Sicherheit nachgewiesen.

Das Steinschmückel (Petrocallis pyrenaica), auch bekannt als «Seentis-Rösli», ist eine weitere Spezialität. Ein zierliches Pflänzchen, das rosa Felspölsterchen bildet und im Säntis- und Altmanngebiet an Kalkfelsen und in Felsschutt wächst. 1731 fand der Naturforscher Johannes Gessner das Steinschmückel als eine für die Schweiz neue Pflanze erstmals im Alpstein.

Entwicklung der Pflanzenvielfalt – Trends seit 2005

Untersuchungen im Rahmen von Erhebungen des Bundes (Biodiversitätsmonitoring – BDM) belegen, dass die Artenzahl der Gefässpflanzen sowohl im Appenzellerland als auch in der ganzen Schweizer Alpennordflanke in den letzten Jahren relativ konstant geblieben ist. Das heisst aber nicht, dass die Gefährdungssituation stabil geblieben wäre, sondern lediglich, dass deren Gesamtartenzahl sich nicht verändert hat.